Persönliche Einschätzung und Wahrnehmung

Dieser Eintrag ist eine persönliche Wahrnehmung der jetzigen Corona-Zeit und der Notwendigkeit als Lehrer darauf zu reagieren.

Die Corona-Krise hat uns dramatisch vor Augen geführt, dass die Digitalisierung für den Bildungsbereich „wirklich“ und ganz realistisch systemrelevant ist. Sie hilft uns in dieser schwierigen Phase, bestimmte Abläufe- vor allem im schulischen Bereich- aufrechtzuerhalten. Auch wenn wir m.E. insgesamt im Bildungsbereich am Anfang sind, so gibt es doch viele einzelne Schulen, die hier als Pioniere extrem wertvolle Arbeit leisten. Auch hat sich gezeigt, dass viele Kolleginnen und Kollegen eine sehr wichtige Kernkompetenz dieses Berufsstandes sehr gut beherrschen: Flexibilität. Wir mussten schlagartig von einem Tag auf den anderen unsere Routine und unsere Traditionen des Unterrichtens auf den Kopf stellen.

Bei uns an der Schule (jrs-herrenberg.de) hat das punktuell ganz gut geklappt. Da wir seit Jahren ein Notebook-/Tabletprofil haben, konnten wir uns auf unsere Erfahrungen stützen und dabei helfen, dass die ganze Schule Schritt für Schritt das „Homeschooling“ immer besser hinbekommt. Viele Kolleginnen und Kollegen haben sich auf dieses „Abenteuer“ gestürzt und noch viel mehr Zeit investiert, als ihr Deputat das hergibt. Aber in dieser sehr schwierigen Zeit, zeigen alle, dass sie gemeinsam vieles schaffen können.

Das Notebook-Profil hat sich bei uns zu einem Tablet-Profil weiter entwickelt. Wir haben zuerst auf das Windows-Tablet „Surface“ gesetzt, um herauszufinden, welche neuen Möglichkeiten sich dabei entwickeln.

Dieses Tablet bietet neben der klassischen PC-Variante eben auch einige Funktionen eines „echten“ Tablets an: da wäre u.a. die Touchfähigkeit, die Größe, das Gewicht, die Form und die Stifteingabe zu nennen. Es hat sich aber relativ schnell gezeigt, dass der Windows-Appstore für die unterrichtliche Gegebenheiten wenig bietet. Das war erst einmal kein Problem, da wir auf die klassischen Anwendungsprogramme wie z.B. Word, PowerPoint und Excel gesetzt haben. Um zusätzlich das digitale Unterrichten und Lernen zu erweitern, kam OneNote hinzu. Wir haben die klassischen Schülerhefte ersetzt und überall dort, wo es möglich war, eBooks angeschafft.

Das war für den Anfang ein großer Schritt, denn nun hatten wir ein leichtes und sehr flexibles Gerät in Schülerhand, das uns neue Möglichkeiten eröffnete.
Wir konnten z.B. im Deutschunterricht das szenische Spiel erweitern, indem wir in Gruppen Standbilder abfotografieren, diese in PowerPoint präsentieren, um die Dokumente im Tauschverzeichnis jedem zur Verfügung stellen, um anschließend in OnteNote die Interpretation des Stücks gemeinsam an einem Notizheft fertig zu formulieren- und das alles sehr intuitiv und in kürzester Zeit.

Die SchülerInnen haben das Gerät sehr schnell akzeptiert und waren innerhalb kürzester Zeit „Profis“ geworden. Sie haben damit kommuniziert, ihre Aufgaben weitergeschickt, digitale Kommentare zu ihren Hausaufgaben erhalten, das Schülerheft komplett ersetzt und gelernt, wie man sich technisch strukturiert.

Immer wieder versuchen wir auch Themen wie den Datenschutz, persönliche Freiheiten im Netz oder die Frage der künstlichen Intelligenz inhaltlich zu thematisieren, um die technischen Kernkompetenzen zu erweitern. Denn die Technik allein war früher einmal das Wesentliche. Jetzt funktioniert vieles von selbst und man muss nun verstehen, wie es funktioniert. Hier haben wir natürlich noch viel Luft nach oben.

Im letzten Schuljahr haben wir uns dann letztendlich dazu entschieden, auf das iPad umzusteigen. Die Argumente waren für uns nach langer inhaltlicher und konstruktiver Diskussion ganz klar: Das iPad ist in seiner Anschaffung günstiger, es bietet unheimlich viele didaktisch und methodisch gut durchdachte Apps an, die man im Unterricht tatsächlich gezielt einsetzen kann. Das Gerät ist robust, hat einen guten Wiederverkaufswert für die Familien, und hält im Normalfall einige Jahre. Die Apps auf dem iPad laufen geschmeidig und konstant. Das Gerät ist nicht für spezifische Probleme anfällig. Und daneben ist die Verwaltung dieser Geräte über eine MDM (Mobile Device Management) unheimlich flexibel, strukturiert und relativ einfach.

Die Corona-Phase zeigt uns, dass es auf jeden Fall ein echter Vorteil ist, wenn die SchülerInnen schon in der Schule das digitale Lernen kennengelernt haben. Es bietet einfach gesagt, eine echte und konstruktive Basis, um mit den Schülern auf dieser Ebene zu lernen. Vieles ist schon vorher geübt und angewendet worden. Das fängt schon damit an, dass interaktive Übungen im Unterricht eingesetzt worden sind, womit jetzt auch zu Hause gearbeitet werden kann. Oder das Verteilen und Einsammeln von Aufgaben und Dokumenten.

Ich persönlich ziehe jetzt für mich 3 Wochen nach Corona folgendes Fazit: Es ist elementar wichtig, dass der digitale Unterricht in allen Jahrgangsstufen inhaltlich und methodisch angemessen Eingang finden muss. Bestimmte Handgriffe und Vorgänge müssen gelernt und eingeübt werden. Das digitale Lernen sollte für die SchülerInnen eine positive und nützliche Ergänzung sein. Ich sage deshalb Ergänzung, da ich auch erlebe, wie wichtig der klassische Unterricht ist. Der reale Kontakt zu den Schülern, das direkte Feedback zu einer Lern- oder Übungssituation, die nonverbale Kommunikation und ganz einfach auch die Wahrnehmung der Mimik und Gestik sind ein wesentlicher pädagogischer Bestandteil von Schule, Unterricht und Erziehung.

Ich denke, dass wir an unserer Schule diese Diskussion auf einer ganz neuen Ebene führen werden. Viele Kolleginnen und Kollegen, die kritisch oder gar sehr ablehnend gegenüber der Digitalisierung waren, mussten jetzt erleben, dass es auch Chancen bietet. Die SchülerInnen online zu sehen, ihnen Mut zu sprechen und ihnen zu zeigen, dass sie noch wahrgenommen werden, ist eine extreme wichtige Erfahrung.

Selbstverständlich nehme ich auch die großen Probleme wahr, die wir jetzt auch erleben: Viele Kinder, die z.B. zu Hause keine digitale Infrastruktur haben, fühlen sich sehr weit zurückgeworfen. Die Chancenungleichheit wächst in bestimmten Bereichen enorm.

Aber genau deshalb muss jetzt hier nach Corona konzeptionell weitergearbeitet und weiterhin investiert werden. Die Entscheidungsträger müssen die digitale Entwicklung (Schule 4.0) ernst nehmen und weiter vorantreiben.

Die Symbiose zwischen der digitalen Moderne und der klassischen Begegnung wird meiner Meinung nach im Bildungsbereich extrem positiv sein.

Denn jetzt kennen wir beide Seiten: Wir wünschen uns das Altbekannte und Vertraute wieder zurück und nutzen aber in der Distanz die Möglichkeiten der digitalen Welt, um weiterhin lernen und lehren zu können.

Yavuz Ata

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Yavuz, mein Freund, welche Geräte mit Stifteingabe verwendet ihr?

Danke für deinen Bericht.

Hallo Steffen,

schön von Dir zu hören!

Wie geht es bei euch denn? „Herausforderung Digitalisierung“ (das Kompendium Thema in Deutsch) ist ja mal schlagartig real geworden :wink:

Wir haben vor ein paar Jahren das Surface ausprobiert, sind aber letztes Schuljahr schon auf das iPad umgestiegen. Die Bedienung, die Apps, die Verwaltung (!) und die Stiftfunktion des iPad sind einfach unschlagbar.

Hier werden wir dieses Schuljahr das iPad 10,2 Zoll einkaufen. Tastatur und Hülle von Logitech (Rugged Folio) und für die Schüler den Stift von Logitech (Crayon).

Herzliche Grüße
Yavuz

3 „Gefällt mir“

Ach Mann…war mir so sicher mit Surface.
Jetzt muss ich doch nochmal nachdenken.

Bei uns läuft es soweit, besser geht aber natürlich immer. Melde mich zwecks der Geräte vielleicht nochmal direkt :smile:

Hallo Steffen,

alles klar, immer gerne.

Viele Grüße
Yavuz